Was versteht man unter Depressionen?
Dr. Stefan Albrecht
Allgemein versteht man darunter einen Zustand der Antriebslosigkeit, schlechter Stimmungslage, Schlafstörungen und weiterer, eher seltenerer Symptome wie beispielsweise Appetitmangel. Generell unterscheidet man sogenannte „endogene“ von sekundären depressiven Erkrankungen. Endogen heißt in diesem Falle, dass man keine rationale Ursache für die verschlechterte Stimmung oder den Antriebsmangel identifizieren kann. Bei einer „sekundären“ Erkrankung liegt ein Auslöser vor, zum Beispiel der Tod eines nahen Verwandten oder andere, seelisch belastende Faktoren. Weitere Störungen aus dem depressiven Formenkreis sind etwa auch das sogenannte Burn-Out-Syndrom, das in allererster Linie durch eine Überlastung im beruflichen Bereich oder das „Chronic fatigue syndrome“, das sich durch unerklärliche Müdigkeit und ein übertriebenes Schlafbedürfnis auszeichnet.
Sind Depressionen bei uns weit verbreitet?
Ich denke schon, dass man das sagen kann. Ob der in den letzten Jahren zu verzeichnende Anstieg der Krankheitszahlen im depressiven Formenkreis an einem realen Anstieg der Erkrankungen per se liegt oder ob einfach das Bewusstsein für diese Erkrankungen steigt und sie deshalb einfach häufiger diagnostiziert werden, kann ich nicht sagen. Meines Erachtens liegt eine Mischung aus beiden Faktoren vor.
Kann jeder an einer Depression erkranken?
Im Prinzip ja. Wenn die dafür verantwortlichen Faktoren vorliegen, wie beispielsweise eine ständige Überlastung im beruflichen und/oder privaten Bereich. Auch genetische Faktoren und Prädispositionen spielen eine erhebliche Rolle.
Wie lässt sich eine Depression erkennen und was sind die typischen Symptome?
Eine Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis entwickelt sich schleichend, weshalb die Diagnosestellung manchmal erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome erfolgt. Typische Symptome sind Abgeschlagenheit, Antriebsmangel, eine eher schlechte Stimmungslage, Grübeln, Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlaf-Störungen), ein erhöhtes Schlafbedürfnis, innerer und äußerer Rückzug, später dann eventuell auch ein Missbrauch anregender oder beruhigender Substanzen wie Alkohol oder Schlafmittel.
Wie werden Depressionen bei Ihnen behandelt?
Wir bemühen uns, eine möglichst vielfältige und an verschiedenen Aspekten ansetzende Therapie zu gestalten. Unserer Auffassung nach, hat jeder Betroffene seine ganz individuelle Erkrankung, weshalb es wenig Aussichten auf einen nachhaltigen Erfolg hat, eine standardisierte „08/15-Therpie“ über alle Patienten zu stülpen. Ursachen und deren Auswirkungen sind bei jedem Betroffenen anders. Wir geben also nicht nur Medikamente, sondern bemühen uns, den- oder diejenige Depressive(n) mit einem individuellen, ganz auf die Lebensverhältnisse und Voraussetzungen abgestimmten Therapie-Aufbau aus medizinischer, psychotherapeutischer und allgemeiner Lebens-Beratung und Coaching für dessen beziehungsweise deren individueller Lebenskrise hinaus zu begleiten.
Findet die Behandlung im stationären Rahmen statt ?
Unsere Therapie ist zeitlich so intensiv und insgesamt so aufwändig, dass sie nur in einer Art stationärem Setting erfolgen kann. Allerdings bemühen wir uns sehr, den Aufenthalt bei uns so angenehm und so wenig „krankenhausartig“ zu gestalten wie nur möglich. Das fängt beim Essen, das jeden Tag von einer unserer Köchinnen frisch zubereitet wird an, geht über die Größe und Ausstattung der Zimmer (die immer nur einzeln belegt werden) bis hin zu gemeinsamen Freizeitunternehmungen (welche leider im Moment wegen der Covid-19-Krise nicht in dem Maß stattfinden können wie wir uns das wünschen würden). Bei uns bekommen die Teilnehmer in drei Wochen etwa so viele Therapieeinheiten wie in zwei Jahren ambulanter Psychotherapie.
Können Depressionen auch Folge einer Suchterkrankung sein?
Eindeutig ja. Sehr oft gehen beispielsweise Depressionen mit einem Alkoholproblem einher. Die Patienten sind verzweifelt und wissen keinen Rat, also kommen sehr schnell erleichternde Substanzen wie Alkohol, Schlafmittel oder auch illegale Substanzen hinzu. Oft ist es im Nachhinein sogar schwierig festzustellen, was zuerst da war: Die Suchterkrankung oder die Depressionen. Im Falle von Suchterkrankungen entkoppeln sich Ursache und Wirkung irgendwann, so dass ich als Suchtkranker mit Depressionen zwei getrennte Problemkreise habe. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, dass sich mit Besserung der Depressionen oder des Burn-Outs dann auch das Alkoholproblem löst oder umgekehrt.
Wie können Angehörige helfen?
Das ist eine sehr schwierige Frage, denn man muss davon ausgehen, dass Angehörige ein Teil des Problemkreises sein können. Unterstützende Maßnahmen, die zu einer professionellen Hilfe führen, sind das einzige, was Angehörige wirklich tun können. Gerade wenn auch noch ein Suchtmittel-Problem dazu kommt, können Angehörige ohne professionelle Hilfe von Außen fast nichts tun. Gehen Sie als Angehöriger eines depressiven Menschen zu einem Psychotherapeuten Ihres Vertrauens und versuchen Sie, sich selbst zu schützen und gesund zu bleiben.
Herr Dr. Albrecht, wir danken Ihnen für dieses Gespräch

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