Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bietet Hoffnung bei Ängsten, Schmerzen und Depressionen


Depressionen sind weit verbreitet – weltweit sind nach Schätzungen der WHO etwa 350 Millionen Menschen betroffen. Die Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten, speziell bei Depression, ist ungebrochen. Die Technik von MAG & More ermöglicht moderne Therapie- und Diagnosemethoden und erzielt somit eine bessere Qualität der Patientenversorgung. Als einziger deutscher Hersteller von Magnetstimulationssystemen werden die TMS-Geräte bereits bundesweit eingesetzt. über die genaue Wirkungsweise und welche Vorteile der neue Hoffnungsträger bringt, unterhielt sich der Gesundheitsbote NRW mit Carsten Albrecht, Chef- und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie der Bonner BetaGenese Klinik und mit Dr. Phillip Görtz vom Katholischen Krankenhaus in Hagen.

Fragen an Dr. Carsten Albrecht:

Was ist transkranielle Magnetstimulation und wozu wird Sie angewendet?

Die transkranielle Magnetstimulation ist ein nichtinvasives Verfahren, mit dem festgelegte Gebiete der Großhirnrinde in Ihrer elektrischen Aktivität verändert werden. Die Methode stammt aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und wurde von Anthony Barker (1985) entwickelt. Die TMS beruht darauf, dass ein Magnetfeld einen Stromfluss erzeugen kann. Das Magnetfeld dringt etwa  2-2½ cm tief in den Kopf des Patienten ein und erzeugt in den darunter liegenden Hirnstrukturen einen Stromfluss. Dieser Stromfluss depolarisiert die betroffenen Nervenzellen. Diese Depolarisation öffnet bestimmte Ionenkanäle, wodurch die Erregung der Zelle auch an andere Zellen weitergeleitet werden kann. Dabei wirkt diese Depolarisation entweder stimulierend oder hemmend auf die magnetisch stimulierten Zellen.

Dr. Carsten Albrecht
Dr. Carsten Albrecht

Die transkranielle Magnetstimulation eignet sich besonders gut zur Behandlung von Ängsten, Schmerzen und Depressionen.

Die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) hat bereits 2015 in der Version 5 der S3-Leitlinie/nationale Versorgungsleitlinie „unipolare Depression“ ihre Stellungnahme zur rTMS in der Depressionsbehandlung veröffentlicht. Hier wird im Kapitel 3.6.5 „Neuere nicht-pharmakologische therapeutische Möglichkeiten“ die repetitive transkranielle Magnetstimulation als neue Technologie empfohlen: „… Die antidepressive Wirksamkeit der rTMS wird in einer Reihe von Metaanalysen belegt, so dass wir insgesamt einen hohen Evidenzlevel erkennen.

Bezüglich der Depressionsbehandlung muss also von einer wissenschaftlich fundierten und durch die Arbeitsgemeinschaft empfohlenen Therapieoptionen gesprochen werden.

Wo liegen die Vorteile der TMS gegenüber anderen Therapieformen?

Die TMS, die z.B. vergleichbar gut gegen Depressionen wirkt wie antidepressiv wirksame Medikamente, bietet einer Reihe von Vorteilen. Der wichtigste Vorteil ist, dass sie den Patienten nicht im gesamten Körper (systemisch) belastet. Das wäre z. B. ein Vorteil bei einer depressiven Schwangeren, bei der eine medikamentöse Behandlung das ungeborenen Kind schädigen kann, eine TMS jedoch ohne systemische Nebenwirkung durchgeführt werden könnte. Es treten generell kaum Nebenwirkungen auf, bei wenigen Patienten kommt es zu einer leichten Kopfschmerzsymptomatik, die jedoch nicht wirklich beeinträchtigt. Allerdings können durch die TMS Migräneanfälle befördert werden oder in ihrer Intensität gesteigert werden, weswegen wir die TMS bei Migräne-Patienten eher nicht durchführen. Dem Patienten geht es vor, während und auch unmittelbar nach der Behandlung gut, die Fahrtüchtigkeit wird in der Regel nicht beeinträchtigt, sodass die Therapie auch im ambulanten Setting gut durchgeführt werden kann.

Was passiert bei der Behandlung?

In der alle ersten Sitzung sitzt der Patient auf einem bequemen Stuhl, in unserer Klinik mit Blick auf den Rhein und die auf ihm fahrenden Schiffe er bekommt eine Stoffkappe endlich einer Badekappe übergezogen, auf der 4 mit Stiften Markierungen setzen, um sich über seinem individuellen Schädel so zu orientieren, dass wir die darunterliegenden Strukturen des Gehirns zielsicher aufsuchen können. Wir berichten uns hier nach dem sogenannten 10/20er System der Elektroden-Platzierung im EEG.

Als erstes suchen wir dasjenige Areal auf, das die Bewegung der Finger der rechten Hand steuert. Hier testen wir, ab welcher magnetischen Feldstärke wir durch einen Einzelimpuls über diesem motorischen Kortex der Großhirnrinde eine Muskelkontraktion an den Fingern der rechten Hand, also eine kurze Bewegung auslösen können. Der so ermittelte Wert gibt die sogenannte „motorische Schwelle“ an. Wenn wir diesen Wert der motorischen Schwelle in der Behandlung nicht überschreiten, wissen wir, dass wir keine unerwünschten Nebenwirkungen wie z. B. einen epileptischen Anfall auslösen können. Die Bestimmung dieser motorischen Schwelle stellt also ein Sicherheitsfeature dar.

Als nächstes wechseln wir die Position der Spule und positionieren das Magnetfeld über dem dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) der linken Hirnhälfte, unserem Zielgebiet in der Behandlung der Depression. Der DLPFC ist an den sogenannten exekutiven Funktionen maßgeblich beteiligt. Exekutive Funktionen stellen einen Oberbegriff für das Management kognitiver Prozesse, kognitive Flexibilität und Planung dar. Eine Schädigung dieser Region führt zu einem Mangel an Motivation, Dinge für sich selbst oder für andere zu tun, führt zu Desinteresse an der Umgebung und einem Verlust von Spontanität in Sprache und Verhalten – im Grunde also einem depressiven Syndrom. Dieser DLPFC der linken Hirnhälfte wird in der TMS exzitatorisch, also erregend behandelt.

Wie läuft eine TMS Behandlung in Ihrer Klinik ab, wie lange dauert sie?

Die reine Behandlungssequenz bei der Depressionsbehandlung dauert 10 Minuten. Wir führen bei dem Patienten insgesamt 20 Sitzungen (5 Werktage über 4 Wochen) durch. Bei Patienten, die ein verzögertes Ansprechen auf die TMS zeigen, erhöhen wir die Anzahl der Therapiesitzungen um bis zu 20 weitere Sitzungen.

Gibt es Risiken? Können Nebenwirkungen auftreten?

Zunächst müssen wir die Patienten ausschließen, bei denen eine Kontraindikation zur Durchführung einer TMS besteht. Das sind Patienten, bei denen magnetische Metallteile im Körper oberhalb der Brustwarzenlinie sind, die beispielsweise einen Herzschrittmacher tragen, Schrauben in der Halswirbelsäule haben, bei denen Blutgefäße im Gehirn mit Clips operiert worden, oder aber bei denen Granatsplitter nach Kriegsverletzung im Körper verblieben sind. Kieferorthopädische Materialien sind in der Regel unkompliziert, ebenso zahnmedizinisch verwendete Metalle. Weitere Kontraindikationen sind das Vorhandensein einer Epilepsie oder eine bereits stattgefundene organische Schädigung des Gehirns. Das Bestehen eines Ohrgeräusches (Tinnitus) stellt eine relative Kontraindikation dar, möglicherweise wird ein solcher Tinnitus durch die TMS verstärkt.

Die häufigste Nebenwirkung, die aber immer noch eher selten auftritt, ist ein leichter Kopfschmerz, der in der Regel keine weitere Behandlung benötigt.

Erstatten oder unterstützen die Krankenkassen die transkranielle Magnetstimulation?

Da in der Behandlung der Depression die rTMS bereits Bestandteil der Leitlinie der AWMF ist, erstatten die Privaten Krankenkassen die transkranielle Magnetstimulation zur Behandlung der Depression. Bei den gesetzlichen hat die TK bisher auf Antrag einer Kostenübernahme zugestimmt. Es handelt sich hier um eine leitliniengerechte Therapie, die sich bereits lange im klinischen Alltag bewährt hat. Die Abrechnung führen wir derzeit über die Gebührenordnung für Ärzte durch, was von den Privaten Krankenkassen auch so akzeptiert wird.

Fragen an Dr. Philipp Görtz:

Was genau verbirgt sich und passiert bei transkranieller Magnetstimulation (TMS)?

Das Gehirn besteht aus Abermillionen durch winzige Nervenfasern verbundene Nervenzellen. Durch diese Nervenfasern fließen ständig elektromagnetische Impulse wie in einem Computerchip. Unser Denken und Fühlen ist letztendlich die Folge dieser elektromagnetischen Impulse. Wenn wir konzentriert und bei guter Stimmung sind, bilden die elektromagnetischen Impulse einen harmonischen Rhythmus ,ähnlich dem Wohlklang einer Sinfonie eines Orchesters. Bei psychischen Beeinträchtigungen geraten Hirnregionen aus dem Takt, elektromagnetische Impulse geraten durcheinander. Das Orchester spielt schief, wir fühlen uns unwohl oder sogar depressiv.

Transkranielle Magnetstimulation bedeutet durch den Schädelknochen hindurch mit einem Elektromagneten wichtige Hirnregionen wieder in den Takt und zur Harmonie zu bringen. Der Elektromagnet hat die Größe zweier Handflächen. Er wird über der betroffenen Hirnregion aufgelegt. Eine Behandlung findet in entspannender Atmosphäre statt und dauert 10-20 Minuten. Die TMS ist im Vergleich zu anderen Behandlungsformen (z.B. Medikamente) unglaublich genau und zielgerichtet, da sie ursächlich an einem Ort der Krankheitsentstehung die Wirkung entfaltet. Häufig können in der Folge Medikamente reduziert werden oder es kann ganz darauf verzichtet werden.

Dr. Philipp Görtz

Gibt es ähnliche Verfahren?

Die TMS gehört zu den wissenschaftlich erklärbaren Neurostimulationsverfahren. Ähnliche Verfahren sind z.B. die Vagusnervstimulation, dabei werden ähnlich einem Herzschrittmacher Hirnnerven aktiviert oder die Elektrokonvulsionstherapie, die alle Hirnregionen gleichzeitig stimuliert. Die medikamentöse Behandlung mit Esketamin regt durch kurzzeitige Gabe gezielt bestimmte Hirnstrukturen an. Alle Verfahren werden in unserem Neurostimulationszentrum in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im KKH-Hagen angeboten.

Für wen kommt eine TMS-Behandlung in Frage? Ist diese Art der Therapie für alle Menschen und Altersgruppen geeignet?

Die TMS ist für alle Erwachsenen geeignet. Nicht möglich ist die Behandlung bei magnetischen Implantaten im Kopfbereich (z.B. Choleaimplantat). Bei Krampfleiden, Herzschrittmacher oder bei Schwangeren ist eine Behandlung in medizinischen Ausnahmefällen möglich.

Gibt es Beschwerden, die besonders effektiv therapiert werden können?

Besonders gut können depressive Symptome wie z.B. bei Burn-Out behandelt werden, ebenso akustische Halluzinationen oder Tinnitus. TMS kann wird erfolgreich zur Behandlung bei chronischen Schmerzsyndromen eingesetzt. 

Welche Besserungen können durch Behandlung eintreten?

Die Effektstärke ist so groß wie bei einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung. Krankheitssymptome können vollständig verschwinden. Die Behandlung muss mit größter Sorgfalt durchgeführt werden, damit die richtige Hirnregion aktiviert wird und die richtige Stärke der Magnetimpulse muss genau ermittelt werden.

Gibt es Risiken? Können Nebenwirkungen auftreten?

Während der Behandlung kann ein Kribbeln der Kopfhaut oder Zucken der Gesichtsmuskulatur spürbar sein. Das wird nur von wenigen als unangenehm empfunden. Leichter Kopfschmerz ist ein sehr selten und geht meist am selben Tag vorüber. Folgeschäden sind nicht bekannt. Die Behandlung ist deutlich nebenswirkungsärmer als z.B. eine medikamentöse und schneller als eine jahrelange psychotherapeutische Behandlung.

Wie lange dauert im Regelfall eine TMS-Therapie?

Im Regelfall ist von 15 Sitzungen innerhalb von drei Wochen auszugehen.

Erstatten oder unterstützen die Krankenkassen die transkranielle Magnetstimulation?

Während der stationären oder teilstationären Behandlung erstatten die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung zu 100%. Bei Privatversicherten ist vor der Behandlung ein Antrag auf Kostenerstattung zu stellen.

www.magandmore.com

Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH

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Privatklinik für interdisziplinäre Psychosomatik und Psychiatrie